Sonntag, 29. Januar 2012

"Occupy Oakland"

... oder "Wie man nicht demonstriert."

Letzte Nacht war sehr aufregend. Wer dabei an Bienchen und Blümchen denkt ... Nah dran, aber trotzdem weit gefehlt.

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Ich habe mich die letzte Nacht mit UStream vergnügt und mir eine Aktion von Occupy Oakland angeschaut. Mittlerweile sicherlich ziemlich groß in den US-amerikanischen Nachrichten.
Demonstranten der Occupy-Oakland-Bewegung hatten sich zusammengefunden und wollten ein leerstehendes Haus in eine Community-Center umwandeln. Personal und Einrichtungsgegenstände waren genug vorhanden. Die Polizei von Oakland bekam natürlich Wind von der Sache und das Haus, welches als Ziel der Aktion angedacht war, wurde von der Polizei bereits besetzt und abgesichert.
Nach einer kleinen Jagd durch die Straßen von Oakland fanden sich von den anfänglich knapp 1000 Teilnehmern ungefähr 500 noch einmal zusammen, um ein anderes leerstehenden Gebäude zu besetzen. Die Polizei hatte zu diesem Zeitpunkt weitere Einsatzkräfte gesammelt. Kaum hatten sich die Demonstranten von ihrem Sammelpunkt fortbewegt, warteten bereits mehrere Einsatzkräfte auf die verbleibenden 500. Es kam zu einer erneuten Hatz durch die Straßen von Oakland bis schließlich die Demonstranten bei dem YMCA-Gebäude in der Stadt sammelten und von der Polizei umstellt wurden.
Nachdem einige Demonstranten in das Gebäude eingedrungen waren, hatte die Polizei einen guten Grund, die verbleibenden Demonstranten festzunehmen. Im Polizeibericht wird von ca. 200 Festnahmen geredet. Unter den Festgenommenen befanden sich auch einige Reporter, die die Aktion nur als Beistehende verfolgt haben.

Soweit zu der Zusammenfassung der mehrstündigen Aktion.

Ich selbst muss sagen, dass ich es ziemlich kindisch fand, was da passiert ist. Beide Seiten haben sich aufgeführt wie kleine Kinder, die sich um den letzten Schokoosterhasen streiten.
Dazu kann ich einige Beispiele nennen, die meines Erachtens Kinderkacke waren:

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1. Die Demonstranten bewarfen die Polizei mit Trinkflaschen und anderen Gegenständen. Statt einer versuchten friedlichen Deeskalierung der Situation, antwortete die Polizei mit Rauchbomben, Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschossen. Daraufhin warfen Demonstranten dann natürlich auch Steine. Zu einem Handgemenge kam es aber nicht.

2. Ich habe zwei Streams verfolgt, um möglichst mehrere Sichtweisen zu sehen.
Der erste Stream war weitesgehend objektiv oder zumindest situationsgerecht kommentiert.
Der andere Stream lässt sich mit den Worten "Warzone", "Donate to me", "Oh my god, he is pointing a gun at me" (hierbei war von Anfang an klar, dass es sich nur um Gummigeschosse handelt). Nachdem ihr das iPhone live gestohlen wurde, war eine zeitlang Ruhe. Nach ca. 20 Minuten war sie wieder online und das Hauptthema wandelte sich in "Oh my god, someone stole my phone" um, zumindest für die nächsten 30 Minuten.
Es ist schon ziemlich übertrieben, wenn man bei den ersten zwei Rauchbomben schon von einer kriegsähnlichen Situation redet, wie hätte ich wohl dann meinen Chemieunterricht in der Schule bezeichnen müssen? "Oh mein Gott, hier bricht ein Weltkrieg aus!"

3. Wer mit dem "black bloc" (die amerikanische Variante des Schwarzen Blocks) sympathisiert, braucht sich nicht wundern, wenn man für deren Fehlverhalten die Rechnung mitbezahlen muss. Die gesamte Aktion hätte weitesgehend friedlich verlaufen können, aber wer von Anfang an, wie ein 3-jähriges Kind, mit Sachen um sich werfen muss, braucht sich nicht wundern, wenn es entsprechend zurückschallt.

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4. Die USA sind nicht der Mittelpunkt der Welt. Nur weil ihr versucht ein Haus zu besetzen, wird keine weltweite Revolution ausbrechen.
Viele der Sprecher und auch der Kommentartoren haben diese Aktion als "weltbewegendes Ereignis" bezeichnet und auch als Beginn einer "weltweiten Revolution". Die USA sind ein Teil der Welt, das gestehe ich ihnen noch ein, aber der Mittelpunkt sind sie noch lange nicht. Derartige Demonstrationen und Aktionen gab und gibt es in Deutschland wohl jährlich. Vom Eskalationsgrad bis hin zum Schwarzen Block genau das gleiche, nur ebend auf Deutsch (obwohl die deutschen Polizisten meist nicht bewaffnet sind).
Die Demonstrationen in Ägypten waren weltbewegend, dort sind die Menschen auf die Straße gegangen, obwohl mit scharfer Munition auf sie geschossen wurde. Diese Menschen wären sicherlich nicht wie vom Schlachter gejagte Schweine durch die Straßen gerannt, nur weil vor ihnen 50 Polizisten mit Rauchgranaten und kleinen Gimmicks standen. (Anfänglich war das Polizeiaufgebot wirklich sehr gering und viele Demonstranten hatten Gasmasken und auch Schutzkleidung.)


Mir ist aber auch aufgefallen, dass manche deutsche Demonstrationen, unabhängig vom Anlass, ähnlich ablaufen. Eigentlich eine deprimierende Erkenntnis.
Aber mir sind ein paar Verbesserungsvorschläge eingefallen, wie man in westlichen Ländern Demonstrieren sollte, damit man erstens ein Zeichen setzt und zweitens eine Eskalation vermeidet.

1. Leute die auf Krawall aus sind, gleich an die Polizei ausliefern. Deren Blutdurst ist kontraproduktiv bei jeder Aktion (Hallo liebe Leute von Schwarzen Block).

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2. Wenn man 1 zu 10 der Polizei überlegen ist, nicht einfach wegrennen und herumschreien, davon bekommen manche von denen vielleicht einen Ständer, mehr aber auch nicht. Immerhin fühlen sich diese Leute in ihrer eingebildete Macht über diese Situation unberechtigterweise bestätigt.

3. Einfach mal stehenbleiben und nichts tun. Sobald man stehenbleibt, ist man ein Widerstand. Man wird zu einem Stein im Fluss. Auch wenn ein Stein den Fluss nicht stören wird, hundert Steine machen sich schon bemerkbar. Vor allem hat so etwas auch einen symbolischen Charakter. Wenn man festgenommen wird, nur weil man nichts gemacht hat, dann zeigt man den Menschen doch am ehesten, das etwas mit unserer Gesellschaft nicht stimmt.

4. Wenn man einen Stream während einer solchen Aktion laufen hat, dann bitte nicht jedes kleine anale Lüftchen benennen und auf jedenfall nicht spekulieren. Einfach nur das nötigste und vor allem wichtigste nennen. Die Zuschauer, die nicht anwesend sein können, danken es euch.
Lasst diese Spendenaufrufe im Minutentakt sein. Selbstkommerzialisierung könnt ihr am Bahnhofsstrich betreiben.
Und unterlasst es, ständig euren Nicknamen zu nennen, die interessieren sowieso niemanden. Ansonsten stehen die Nicknamen über dem Stream. Und damit ihr mal wisst, wie nervig das ist:


Immer schön passiv-demonstrativ bleiben,

Tono


EDIT: Die Zahl der Festnahmen beläuft sich mittlerweile auf mehr als 400 (http://www.reuters.com/article/2012/01/29/us-oakland-protests-idUSTRE80S00520120129).


Bildquellen:
1. http://www.enduringamerica.com/storage/blog-post-images/USA%2028-01-12%20OCCUPY%20OAKLAND.jpg
2. http://external.ak.fbcdn.net/safe_image.php?d=AQD-55s0kDitUiev&url=http%3A%2F%2Fi4.ytimg.com%2Fvi%2FsFaviIoy4rg%2Fhqdefault.jpg
3. http://www.cfnews13.com/images/apimages/APTOPIX_Occupy_Oakland.sff-8c40ba09-5185-4ea8-8c51-4420d4764b8e.jpg
 4. http://beta.images.theglobeandmail.com/archive/01367/WEB-OccOak_jpg_1367910cl-8.jpg

Videoquelle:
http://www.youtube.com/watch?v=ws58s9wzYsA



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