Dienstag, 22. November 2011

Schachspiel mit Mr. Nobody

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Was ist schon ein Leben? Der Unterschied zwischen dem Leben eines Menschen und dem einer Ameise ist der, dass die Ameise wenigstens weiß, was sie zu tun hat. Der Mensch lebt vor sich hin, im Ganzen betrachtet ohne Ziel oder Sinn.



Menschen überlegen sich jede ihrer Handlungen, weil sie nicht wissen, was richtig oder falsch ist. Besser gesagt, sie überdenken jede ihrer Handlungen, weil sie überhaupt versuchen zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Die Ameise macht es einfach, sie macht das, wofür sie geboren wurde. So macht es jedes Tier auf dieser Welt. Es überlegt nicht, es handelt. Nur der Mensch handelt nicht, er überlegt. Er überlegt letztlich so lange, bis der Moment vorbei ist, in dem es galt zu handeln.
Während seiner Überlegungen jedoch, schafft er es, auch den nachfolgenden Schritt zu bedenken, er handelt im nachfolgenden Moment. Viele Menschen leben auf diese Weise. Natürlich gibt es auch bestimmte Ausnahmen, die ein affektives Handeln ermöglichen. Diese treten meist in extrem kritischen Momenten auf oder in Momenten, die sie schon einmal erlebt haben und sie wissen, wie zu handeln ist.

Anders gibt es auch Menschen, die nie handeln, da sie immer wieder jeden Schritt und ihre nachfolgenden Schritte solange bedenken, bis der Moment der Handlung und der darauf aufbauende Handlungsstrang vorbei ist, sie jedoch erst den nachfolgenden Moment in Betracht ziehen, wenn dieser bereits da ist oder auch garnicht eintritt, weil der voherige Schritt nicht eingetreten ist. Sie nutzen nicht nur das volle Maß ihrer Bedenkzeit aus, sondern sie gehen darüber hinaus. Sie sind wie Schachspieler, die versuchen, jeden Zug bis zum Ende eines Schachspiels zu bednken, ohne dass das Spiel überhaupt begonnen hat. So kann es auch passieren, dass sie über einen Moment derart lang nachdenken, dass nachfolge Momente nach und nach verstreichen, ohne jemals wahrgenommen worden zu sein.

Diese Ohnmacht des Handelns ist aber nicht das größte Problem. Die "Schachnovelle" von Stefan Zweig spricht das größere Problem direkter an. Man bedenkt nicht nur alle Züge eines Spiels, sondern man bedenkt alle Züge mehrerer Spiele gleichzeitig. Man bedenkt nicht nur einen Moment, sondern man bedenkt auch Momente, die bereits vergangen sind und nichts mit dem vorliegenden Moment gemein haben. Als würde man versuchen ein Physik-, Biologie-, Geschichte- und Deutschreferat gleichzeitig zu halten, ohne das eines dieser Referate auf ein jeweils anderes aufbaut oder sich dessen Inhalt bedient. Das Gehirn wird überfordert. Das affektive Handeln wird handlungsunfähig gemacht. Das einzig mögliche Ergebnis ist, dass man wohl verrückt wird und sich nie wieder dieser Momente befassen kann. Man wird es nicht schaffen, etwas zu vollenden. Man wird es nicht schaffen, zwei Schachspiele gleichzeitig zu Spielen oder mehrere Referate gleichzeitig halten können, ohne dass man diese unbewusst miteinander vermischt und sowohl die Übersicht verliert, als auch den Willen es weiterzuführen.


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Die Grundursache, die es überhaupt ermöglicht, dass man mehrere Momente und alle deren mögliche Verläufe und Enden gleichzeitig bedenkt, liegt darin, dass man sich nicht entscheidet. Man entscheidet sich nicht für die Priorität eines Themas oder eines Moments, alles wird in seiner Grundform als gleichwertig beachtet. Es wird versucht alle Momente underen deren Folgen, alle Themen und deren Inhalt gleichzeitig zu bedenken und letztlich deren Ergebnisse zu vergleichen. Durch das Gehirn aber automatisch versucht zwischen diesen gleichzeitigen Denkprozessen Verbindungen herzustellen und letztlich nur eine Lösung darin sieht, die Inhalte jeweils anzupassen, um sich selbst vor einem Kollaps zu retten, wird es unmöglich, sie für einen Moment oder ein Thema zu entscheiden, da deren bedachte Ergebnisse verfälscht wurden. Diese Verfälschung wird auch vom Denkenden wahrgenommen und macht ihn umso Handlungsunfähiger.
"Mr. Nobody" behandelt das Problem mit der Entscheidung und kommt schließlich zu dem Schluss: "Als erstes konnte er sich nicht entscheiden, weil er nicht wusste, was passieren würde. Jetzt, da er weiß, was passieren wird, kann er erstrecht keine Entscheidung treffen." Man kann nicht abwägen, als wie wichtig man etwas erachtet, denn alle Möglichkeiten haben es verdient ermöglicht zu werden, da man aber meint, nur eine Chance zu haben, wird es umso unmöglicher sich zu entscheiden. Wüsste man, dass man etwas noch einmal machen könnte, sozusagen ein Spiel an einer bestimmten Stelle zu speichern, sich dann für eine Möglichkeit zu entscheiden und den Spielstand noch einmal laden, um sich für eine andere Möglichkeit zu entscheiden, dann wäre es einfacher eine Entscheidung im allgemeinen zu treffen, da man weiß, dass die Entscheidung zwar eine Auswirkung hat, letztlich aber korrigierbar ist.
Es gibt zwar Theorien von Multiversen, in denen man in jedem Universum in jedem Moment eine andere Entscheidung trifft, aber diese Theorien helfen nicht darüber hinweg, dass das Ich es niemals erleben wird. Ähnlich ist es mit dem Klonen eines Menschen. Würde man einen Klon von sich selbst erstellen und alle eigenen Erinnerungen in ihn verpflanzen, würde man jedoch niemals durch seine Augen sehen, man ist für immer die Person, als die man geboren wurde.
Anders verhält es sich mit Zeitreisen. Könnte man in der Zeit zurück reisen und jede Entscheidung zu einem anderen Ergebnis bringen, dann würde man in das Spielstandprinzip hineinkommen. Man erinnert sich daran, was man bis Laden des Spielstandes wusste und entscheidet sich nun neu, um sein Leben noch einmal anders zu erleben.

"Beim Schach, heißt das Zugzwang. Denn der einzig mögliche Zug ist nicht zu ziehen." Dieses Leben ist das einzige, welches denen übrig bleibt, die sich nicht entscheiden können. Man wird gezwungen, sich zu entscheiden, jedoch will man sich nicht entscheiden, weil man die Konsequenzen der Handlung erst betrachten will und hat man diese betrachtet, wird es, wie bereits erwähnt, erst recht unmöglich, sie zu entscheiden.
Es könnte jetzt vorgehalten werden, dass dieses Nichthandeln letztlich auch das Resultat einer Entscheidung ist: Zieht man im Zugzwang oder zieht man nicht. Auch wird an dieser Stelle gern das Zitat angebracht: "Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren." Das hat seine Richtigkeit, dennoch ist der Grund dafür, dass dieses Zitat seine Gültigkeit behält, der Mensch selbst. Ein Mensch bringt sich selten selbst in die Situation, eine Entscheidung treffen zu müssen. Eher sind Entscheidungen vererbte Eigenschaft einer Gesellschaft. Man wird selbst vor eine Entscheidung gestellt und wählt, gleichzeitig verlangt man, dass man selbst andere vor Entscheidungen stellen kann und diese dann wählen. Man zwingt den handlungsunfähigen zu handeln, nur weil man selbst handeln kann. Man zieht nicht in Betracht, dass es nicht jeder entscheiden kann.


Ich für meinen Teil entscheide später darüber, ob ich weiter zu diesem Thema schreibe.

Bis dahin

Tono

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